Je nachdem, wo man mitfährt oder wen man fragt, ist die Critical Mass eigentlich eine mehr oder weniger unpolitische Radtour, deren kleiner gemeinsamer Nenner das obligatorische „Wir blockieren nicht den Verkehr, wir sind der Verkehr!“ ist.
Aber in Zeiten wie diesen ist nichts unpolitisch und eine Critical Mass sowieso nicht.
Es gibt viele Gründe, warum wir am letzten Freitag im Monat auf die Straße gehen auf der Straße fahren, sie heißen Klimaschutz, Verkehrswende und vielleicht auch ziviler Ungehorsam, aber sie heißen auch Scheuer, Dobrindt, Ramsauer und Tiefensee*, die in 16 Jahren GroKo** primär Politik für das Kraftfahrzeug betrieben haben und nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer*innen können gucken, wo sie abbleiben zwischen mehrstreifigen Straßen und Falschparkern.
Natürlich haben nicht jene Verkehrsminister allein die verkehrspolitische Schieflage verursacht, aus der es mittlerweile kaum noch ein Entrinnen zu geben scheint, Verkehrspolitik findet schließlich nicht nur im Bund statt, sondern auch im Land und vor allem auf kommunaler Ebene, wo sich Anwohner*innen und Politiker*innen mehr um Parkplätze sorgen als um sichere Schulwege für ihre Kinder, mehr um die Leistungsfähigkeit einer Kreuzung streiten als um die Anzahl der Bäume, die dieser Kreuzung weichen müssen.
Aber wenn seit 2009 das Bundesverkehrsministerium im christsozialen Bayern beheimatet ist und dort primär Autobahnen baut, dann verwundert es nicht, dass gar der selbsternannte Bundesfahrrad- und Bundesankündigungsminister Andreas Scheuer fürs Fahrrad außer lustigen Versprechungen und helmbewehrten Videos noch nicht so ganz viel auf die Reihe bekommen hat. Und dieses Video können wir noch nicht einmal ruckelfrei ansehen, weil die CSU-Ministerium seit 2013 auch für digitale Infrastruktur zuständig ist.
Will sagen: Es ist Zeit für etwas neues.
Bei dieser Bundestagswahl gibt es die in den letzten Jahrzehnten geradezu einmalige Chance, der Union das Bundesverkehrsministerium wegzunehmen. Und mit etwas Glück bekommen wir eine*n Bundesverkehrsminister*in, die nicht ausschließlich Politik für das Kraftfahrzeug macht, sondern die durch Umwelt- und Klimaschutz gesetzten Grenzen anerkennt, die auf nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer*innen Rücksicht nimmt und es nicht nur bei halbleeren Versprechungen belässt.
Es ist dringend Zeit für einen Wechsel, war es doch ausgerechnet das Bundesverkehrsministerium, das beim Klimaschutz seit Jahren auf der Bremse steht — wir können uns keine weiteren vier Jahre mit einem unionsgeführten Bundesverkehrsministerium leisten!
Damit das klappt, ist vor allem eines wichtig: Dass ihr am 26. September wählen geht.
Es ist übrigens eine gute Idee, rechtzeitig per Briefwahl abzustimmen. Einerseits könnt ihr bei schönem Wetter trotzdem eure Radtour unternehmen und habt bereits abgestimmt, andererseits befinden wir uns in einer Pandemie, die unter Umständen mit einer Quarantäne aufwartet, falls ihr euch infiziert haben solltet. Informationen zur Beantragung der Briefwahl findet ihr auf der Wahlbenachrichtigung, die ihr in diesen Tagen erhalten solltet.
Bei dieser Bundestagswahl darf es keine Ausreden mehr geben: Nichtwählen ist keine Option.t
* Tiefensee war Bundesminister der SPD, ** es waren nur zwölf Jahre GroKo, zwischendurch durfte die FDP mal kurz ran. Bei meinen Blogartikeln gelten die selben Qualitätsstandards wie bei Doktorarbeiten, die eine politische Karriere vorbereiten sollen, insofern geht das schon so in Ordnung.